2013-06-28

Centuria I, Experimentum 23: Grassi papieren kontextualisiert.

Tote, Papiere, rinascimentale Texte als Zombies:

Werde kommende Woche am Dienstag zu Ernesto Grassis Einführung in philosophische Probleme des Humanismus, Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1986 (2. Auflage von 1991 erschienen unter dem Titel "Einführung in die humanistische Philosophie. - Vorrang des Wortes") unterrichten.

Mein Exemplar sieht derzeit so aus:
Und hinten drin ist ein Umschlag:









Und in dem Umschlag sind Zettel, u.a. ein Nachruf aus "Die Zeit": (Grassi wird darin als Beinahepolyhistor gerühmt)
Und Todesanzeigen:
diese:

und diese

,auf deren Rückseite sich Teile einer Todesanzeige für den ehemaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel  finden:

....

   Und all diese papierne Kontextualisierung hilft mir nicht wirklich weiter zu diesem Buch, das zu den arg vielen gehört, die versuchen durch kreative Präsentation philosophischer Texte der Vergangenheit der eigenen Philosophie eine Tradition zu geben, und zugleich die Texte der Vergangenheit dadurch als in der Gegenwart lesenswert zu behaupten, dass der Anspruch erhoben wird sie seien potentiell nützlich zur Lösung der gegenwärtigen Probleme anderer.

Yes, I tagged this post with #Zombies , for a reason.







2013-06-19

Centuria I, Experimentum 22: Noch 'ne Renaissance

Zählt noch jemand mit?

Womit sind Reihen zu beginnen?

Der Renaissancen sind viele: die karolingische Renaissance (sed contra e.g. Percy Ernst Schramm: Karl der Große: Denkart und Grundauffassungen: Die von ihm bewirkte. Correctio. ("Renaissance") in: "Historische Zeitschrift" 198.1964, pp. 306-345, spec. pp. 339-342), (&m) Schramm's? ottonische Renaissance (sed contra e.g. Ott), Charles Homer Haskin's Renaissance des 12. Jahrhunderts , die Aristoteles-Renaissance des 13. Jahrhunderts, und natürlich die Renaissance .

Und am Wochenende habe ich noch eine Renaissance kennengelernt: die mir neueste, und zugleich die vielleicht älteste:

, gesehen im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst zu München.

2013-06-10

Centuria I, Experimentum 21: akademisch-utopisches

Stein ins's Wasser

Habe vor einigen wenigen Tagen in gewerkschaftlichem Kontext folgendes gemailt, das ich nun auch hier zur Diskussion stelle:

Aus meiner Sicht sind anzustreben:
1.   Für *alle* Leute die nach Abschluss der Promotion an Unis
     mit Aufgaben in Forschung und Lehre beschäftigt werden:
     entweder
1.1. Tenure-track-Stellen mit klaren Zielvorgaben und bei deren
     "Erfüllung" Festanstellungsentscheidung nach spätestens 4
     Jahren nach Stellenantritt
     oder
1.2. einfach unbefristete Stellen;
2.   Höchstens 1/3 der Stellen nach Punkt 1.1, Rest nach
     1.2.
Ja, ich weiss: Drittmittelprojekte passen da nicht rein. Stört mich
aber nicht:
3.   Verteilung aller öffentlichen Drittmittelgelder (DFG etc.)
     die jetzt an die Unis fließen direkt an die Unis nach
     Zahl-der-Beschäftigten+Zahl-der-Studierenden.
4.   Anstellung derjenigen deren Stellen derzeit durch
     nicht-öffentliche Drittmittel bezahlt werden bei den
     Drittmittelgebern.

Und: Wir binden im stärker Studierende (hauptsächlich Leute
     mit BA oder MA) in de Lehre ein; m.E. in aller Interesse,
     aber:
5.   Auch für solche Leute sollte ein TT-Weg halbwegs analog
     zu 1.1. angeboten werden.

6.
One-person-one-vote etc.: Völlige Demokratisierung werden wir
auf absehbare Zeit wohl nicht hinbekommen, aber jeder Schritt
in diese Richtung ist's wert.









 Der Text ist unterstützende Antwort auf den Text eines Kollegen. Originalitätsanspruch meinerseits besteht nicht.

2013-06-03

Centuria I, Experimentum 20 : Vom Nachteil schlechter studentischer Plagiate

Zu studentischen Plagiaten, insbesondere schlechten.

Praefationis loco: Die Überschrift mag paradox erscheinen ("sind denn nicht alle Plagiate schlecht?"), aber sie ist es nicht. Plagiate sind (mindestens im Bereich der Wissenschaft dort wo sie vermeidbar sind) stets unmoralisch, aber technisch schlechte Plagiate haben noch schlimmere Folgen als technisch gute Plagiate (wozu weiter unten mehr). "wo sie vermeidbar sind"?? Sind nicht Plagiate stets vermeidbar? Ich fürchte: im mündlichen extemporierten Vortrag nicht. Wenn ich im Unterricht - z.B. Fragen beantwortend - etwas mündlich erläutere gebe ich natürlich die Quellen meiner Erläuterungen an wenn sie mir im Augenblick des Erläuterns bewusst sind, aber häufig genug sind sie das nicht; ich erinnere mich durchaus nicht an alles was ich je gelesen oder in Vorträgen gehört habe; wenn ich schreibe gebe ich mir Mühe nachrecherchierend alles sekundärliterarisch zu belegen was ich nicht selbst herausgefunden habe (und primärliterarisch belege) oder als eigene These zur Beförderung des Diskussion vertrete oder als eigene unhintergehbare Prämisse setze; aber im mündlich extemporierten Vortrag kann ich das oft nicht leisten. Sorry. Und: dann gibt's da noch so Sachen wie das "Praefationis loco" zu Beginn dieses Absatzes; ist nicht von mir; gibt's aber an so vielen Stellen (z.B. hier und hier und hier), dass mir die Zuweisung auf einen bestimmten Text auf den das physische Gegenstück der Worte in meinem Hirn, die Reihenfolge der betätigten Tasten, die Buchstabenfolge "Praefationis loco" zurückgehen : nicht möglich ist. Wo Originalität explizit nicht behauptet wird, da ist kein Plagiat möglich (Urheberrechtsverletzungen hingegen schon).


Definitionen "Plagiat" gibt's viele. Aus meiner Sicht: Ein Plagiat ist die Übernahme von Teilen eines Textes in einen anderen Text ohne dass diese Übernahme kenntlich gemacht wird wenn der übernehmende Text einem literarischen Genre angehört dessen Regeln es verlangen derlei Übernahmen im entsprechenden Kontext kenntlich zu machen. D.h.: die Übernahme von Ideen, Argumenten (oder z.B. Belegstellen) aus einem anderen Text (wobei ein Text nicht schriftlich vorliegen muss, sondern z.B. auch ein Vortrag sein kann) ist dann (und nur dann) ein Plagiat  wenn sie so erfolgt dass ein eindeutiger Bezug zu diesem anderen Text herstellbar ist: Plagiate im Sinne dieses Textes hier haben mit Texten zu tun (Patentverletzungen, unberechtigte Übernahme von Teilen von Musik, etc. bleiben also hier unberücksichtigt). Und eine weitere Abgrenzung ist nötig - und oft nicht leicht - : die von der Schlampigkeit. Plagiieren setzt voraus das der übernehmende Text als Ergebnis einer aufmerksamen Übernahme aus dem Text aus dem übernommen wird erscheint. (Die Schwelle zur Urheberrechtsverletzung kann niedriger liegen.)

Plagiate in studentischen Arbeiten (Seminararbeiten, Essays, etc. etc. pp.) sind nur dann relevant wenn sie entdeckt werden. Eine Universität ist eine Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden zum Zwecke der Forschung. Eine solche Gemeinschaft setzt Vertrauen voraus. Auch das Vertrauen der Lehrenden (und Bewertenden) dass an sie addressierte studentische Arbeiten sich an die Regeln halten, also u.A. Übernahmen aus anderen Texten in einen eigenen Text kenntlich machen.
D.h.: ich gehe wenn ich studentische Arbeiten lese (bzw. Referaten lausche) davon aus, dass nicht plagiiert wird. Meine Grundhaltung ist eine des Vertrauens, nicht des Misstrauens. Ich überprüfe nicht ohne Anlass ob da etwas plagiiert sei.
Anlässe zur Überprüfung sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
  • Mir kommt etwas bekannt vor, aber es gibt keine entsprechende Fußnote o.dgl. dazu.
  • Ich möchte etwas sachlich überprüfen und stoße bei der Recherche auf eine ungekennzeichnete Übernahme.
  • Ich suche nach sonstigen Verwendungen einer bestimmten Formulierung oder Primärstellennachweisfolge um den studentischen Text besser kontextualisieren zu können, und stoße dabei auf eine ungekennzeichnete Übernahme.
  • Die studentische Arbeit hat mich angeregt mich stärker als zuvor in die einschlägige Sekundärliteratur einzuarbeiten (oder was nochmal nachzulesen), und ich stoße dabei auf eine ungekennzeichnete Übernahme.
  • Passagen der Arbeit unterschieden sich sprachlich und/oder von der Argumentationsweise deutlich von anderen Passagen der Arbeit ohne dass es dafür mir erkennbare inhaltliche Gründe gäbe.
  •  Zufallsfunde von etwas was ungekennzeichnet übernommen worden ist.
Plagiate in studentischen Arbeiten zerstören - wenn ich sie entdecke und wenn mir die "Alternativdiagnose" "Schlampigkeit" nicht (mehr) möglich ist - das Vertrauen in die Redlichkeit der Person die die Arbeit angefertigt hat, und damit eine der Grundlagen der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden zum Zwecke der Forschung. (Was auch dazu führt, dass ich in einem solchen Fall generell nicht mehr als Prüfer oder Prüfungsbeisitzer für die plagiiert habende Person zur Verfügung stehe - da ich zu deren Ungunsten dauerhaft und unüberwindbar befangen bin.)
Eine Universität ist eben keine Schule sondern eine Hochschule. In einer Schule stehen Schüler als Lernende auf einer anderen Seite als die Lehrer; die einen sollen was lernen, die anderen sollen was beibringen. In einer Universität hingegen stehen Studierende und Unterrichtende auf ein und der selben Seite, versuchen gemeinsam zu lernen, gemeinsam Forschung zu treiben. Deshalb sind studentische Plagiate etwas prinzipiell anderes - und schlimmeres - als Abschreiben oder Verwenden von Spickern o.dgl. in der Schule. Abschreiben oder Verwenden von Spickern o.dgl. in der Schule gefährdet nur einen der Zwecke der Schule (halbwegs gerechte Benotung der Schüler/inn/en) und lässt den andren (Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten) unberührt. Plagiate hingegen (und nicht nur studentische Plagiate) hingegen gefährden das gegenseitige Vertrauen ohne das Universität als Universität nicht möglich ist.


Damit ist auch klar: ich will die Diagnose "Plagiat" nicht stellen müssen.(
  • Bauernopferfußnoten, 
  • sehr freie Paraphrasen und/oder Übersetzungen von Texten aus denen ohne hinreichende Kennzeichnung entnommen wird, 
  • Verwendung einer Vielzahl von Texten aus denen ohne hinreichende Kennzeichnung entnommen wird, 
  • saubere Verzeichnung der Texte aus denen ohne hinreichende Kennzeichnung entnommen wird im Literaturverzeichnis, 
  • sauber gearbeitete Passagen zwischen unsauber gearbeiteten,
  •  Verzicht auf Verschleierung durch geringfügige Abweichungen vom ohne hinreichende Kennzeichnung übernommenen Text und/oder z.B. Verwendung einer anderen Übersetzung oder Ausgabe als in dem Text aus dem übernommen wird verwendet wird,
  • Verzicht auf klare Täuschungsabsichtsindikatoren wie Verwendung von gleichaussehenden Zeichen aus unterschiedlichen Zeichensätzen (z.B. "Ο " statt "O")
: derlei und mehr machen es im Zweifel möglich statt der Diagnose "klares Plagiat" die mildere Diagnose "komplett inakzeptable Schlampigkeit" oder die noch mildere "arge Schlampigkeit" zu stellen, mit den Benotungsfolgen "nicht bestanden" oder "gerade noch ausreichend - in Anbetracht der noch recht geringen Zahl von der Person erstellten Arbeiten" statt "durchgefallen wegen klarem und erfolglosem Täuschungsversuch". BTW: Zur Lektüre empfohlen: Roland Schimmel: Zum erfolgreichen Plagiat in zehn einfachen Schritten : Eine Anleitung (2011-01-28, gesehen 2013-06-03) - und ich bitte dies hier nicht als Bauernofpferverweis zu verstehen sondern als Verneigung vor einem Text der mein eigenes Nachdenken über Plagiate reichlich angregt und wohl auch geformt hat; ach ja: dieser mein Text hier versteht sich nicht als einer mit Originalitätsanspruch,  aber das heisst nicht das ich nicht versucht hätte auf unzureichend gekennzeichnete Übernahmen aus anderen Texten zu vermeiden. [:-)] )



Und damit sind wir bei den schlechten Plagiaten:
  • Plagiaten bei denen die Diagnose "Plagiat! " unvermeidbar ist,
  • Plagiaten bei denen man sich fragt weshalb die plagiierende Person der Ansicht ist der bewertenden Person werde das Plagiat nicht auffallen,
  • Plagiaten bei denen die Täuschungsabsicht eindeutig ist,
  • Plagiaten bei denen man mit noch so viel gutem Willen nicht mehr technische Virtuosität bewundernd "wenigstens guuut gemaaaaaaaacht" denken kann.
 Schlechte Plagiate sind Plagiate bei denen die Feststellung der Vertrauenszerstörung unvermeidbar ist und die die bewertende Person durch die Dreistigkeit und Schlechtgemachtheit des Plagiats beleidigen, verärgern, und schlimmstenfalls misstrauischer gegenüber studentischen Arbeiten. Und gerade dies, die Gefährdung oder gar Beeinträchtigung des prinzipiell nötigen Grundvertrauens in die redliche Erarbeitung studentischer Beiträge und die Beeinträchtigung der Hoffnung Studierende würden die Dozent/inn/en deren Lehrveranstaltungen sie besuchen nicht für komplette Idiot/inn/en halten, dies ist es was schlechte studentische Plagiate so schlimm macht. (Schimmel, op.cit., p. 15 hat recht: "Entgegen der ersten Vermutung erfordert ein anständiges Plagiat (also eines, das den Leser nicht auf beleidigende Weise für dumm verkauft) einige Mühe des Plagiators. Ein gutes Plagiat verlangt Zeit, Sorgfalt, Sachkenntnis und Konzentration – ähnlich wie eine gute wissenschaftliche Arbeit" mit FN "Das ist übrigens der Punkt, an dem ein wenig Nachdenken die eine oder interessante handlungsleitende  Erkenntnis hervorbringen könnte. Probieren Sie es mal aus!")



    Und, ja: Plagiate durch Lehrpersonen (gleich ob "schlechte" Plagiate oder andere Plagiate) sind weit schlimmer als gleich welche studentische Plagiate. Und, ja, es hat schon Plagiate durch Lehrpersonen gegeben. In unserem Feld wohl am spektakulärsten: der Fall Martin Stone.